Vom Schießen mit alten Waffen

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Perkussionsrevolver: Lösungen von Funktionsproblemen

Mit „der Widerspenstigen Zähmung“ überschrieb einmal ein Vorderladerschütze seinen Artikel im Deutschen Waffenjournal, in dem er seine Bemühungen schilderte, seinen Perkussionsrevolver, eine italienische Replika, zum präzisen Schießen zu bringen. Ähnliche Erfahrungen musste ich machen. Wie mancher Sammler von alten Schusswaffen verspürte auch ich das unbändige Verlangen,  einen der Colt-Revolver aus meinem Besitz  auf dem Schießstand zu erleben. Als ich jedoch einen Lehrgang für Böller- und Sportschützen erfolgreich absolviert hatte, meine Zuverlässigkeit erwiesen war und ich stolzer Besitzer einer Sprengstofferlaubnis wurde, konnte ich mich nicht dazu überwinden, den Zustand eines Original-Revolvers zu gefährden. Also erwarb ich eine italienische Replika. Da eine Gesetzesänderung bevorstand, durch die der freie Erwerb von Perkussionsrevolvern  verboten werden sollte, waren die Waffengeschäfte fast leergefegt. Ein Waffen-Händler konnte mir nur noch einen Colt Second Model Dragoon-Revolver Cal. .44, hergestellt von San Marco, Italien, anbieten, einen Revolver mit offenem Rahmen. Diese imposante Waffe konnte ich mir natürlich nicht entgehen lassen.

Trotz seines stattlichen Gewichts lag der Revolver sehr gut in der Hand und ließ sich angenehm in Anschlag bringen. Mit einer Ladung aus 30 grains Schweizer Jagdschwarzpulver Nr. 2, einem 5mm-Filzpfropfen, einer Bleikugel vom Kaliber .454 und einem Klaks Fett in jeder Kammer waren Knall und Qualmentwicklung  zwar enorm, das Verhalten des Revolvers jedoch recht zahm. Nach dem Reinigen und Zusammenbau zeigte sich das erste Problem: Die Trommel ließ sich nur schwer bewegen. Die Ursache war einfach. Die Bohrung am Laufteil zur Aufnahme der Trommelachse war etwas zu groß und vor allem zu tief geraten, so dass  beim kräftigen Einschlagen des Befestigungkeils die Trommelachse zu tief in die Bohrung eindrang , sich als Folge das Laufteil ein wenig nach oben kippte und so die Trommel blockierte.

Die Problemlösung war unkompliziert: Das tiefere Eindringen der Trommelachse in die Bohrung musste verhindert werden durch eine entsprechend dimensionierte Eisenscheibe auf dem Boden der Bohrung. Um die notwendige Dicke dieser Scheibe zu ermitteln, schob ich den Keil nur so weit ein, dass sich die Trommel noch leicht drehen ließ. Mit einer feinen Stahlnadel markierte ich die Position der Trommelachse am Eingang der Bohrung und konnte so mit einer Schieblehre messen, wie weit die Achse in die Bohrung ragte. Die Differenz zur Tiefe der Bohrung war 1,2 mm. In meiner Materialsammlung – ich gehöre zu den Bastlern, die kein Metallteilchen wegwerfen können – fand ich eine 1,4 mm dicke Eisenunterlegscheibe von geeignetem Durchmesser, der ich auf einem Schleifstein die erforderliche Dicke verpasste. Schon beim ersten Ausprobieren zeigte sich der erwünschte Erfolg. Auch nach kräftigem Einschlagen des Keils ließ sich die Trommel leicht bewegen. Damit die Scheibe beim Zerlegen des Revolvers nicht heraus fällt,  befestigte ich sie mit einem Tröpfchen Alleskleber.

Meine Freude war nicht von langer Dauer. Beim Reinigen der Trommel fiel mir eines Tages auf, dass fast ausschließlich die linke Kante der Ausfräsungen für die Pistonsitze durch Dellen verunziert war.

Wie der Hahn hier aufschlagen konnte, war mir zunächst ein Rätsel. Funktionierten Schloss, Trommeltransport und –Arretierung doch einwandfrei. Der Prospekt eines amerikanischen Waffenhändlers brachte schließlich die Erleuchtung. Ein Foto zeigte einen mächtigen, Feuer speienden originalen Colt Walker- Revolver. Feuer kam nicht nur aus dem Lauf sondern in erheblichem Maße auch aus dem hinteren Teil der Trommel aus den vermutlich etwas ausgeschossenen Pistons – und der Hahn stand dabei fast in Laderast. Die aus der Pistonbohrung strömenden Gase können demnach den Hahn so weit zurückdrücken, dass die Trommel eine kurze Strecke gedreht wird. Der anschließend wieder zurückschlagende Hahn fällt zunächst auf die erwähnte Kante und dann erst auf das Piston. Ich konnte dies an meinem Revolver nachstellen. Die Trommel drehte sich bereits, wenn der Hahn um nur wenige Millimeter zurückgezogen wurde. Beim Loslassen fiel der Hahn erst auf die Kante und dann auf das Piston. Den Vorschlag eines Büchsenmachers, eine stärkere Hauptfeder einzubauen, verwarf ich, weil mir der gewünschte Effekt zu unsicher erschien, ein höheres Abzuggewicht zu befürchten war und mich die geschätzten Kosten abschreckten. Nach einigem Überlegen kam ich auf eine einfache Problemlösung. Ich ließ den Büchsenmacher die am Hahn eingesetzte Transportklinke an ihrer Spitze um Bruchteile eines Millimeters kürzen und hatte bei 0,3 mm den erwarteten Erfolg. In der Folgezeit prüfte ich die Revolver einiger Vereinskollegen und konnte feststellen, dass sogar mancher teure Präzisionsrevolver diesen Mangel aufwies. Auch auf Abbildungen in Waffenzeitschriften konnte ich die angeschlagenen Kanten an den Revolvertrommeln erkennen. Inwieweit die Schusspräzision hierdurch beeinträchtigt wird, ist für mich offen geblieben. Vermutlich ist der Effekt bei hohen Pulverladungen besonders ausgeprägt sein.

Das Schießen mit dem Colt Dragoon machte weiterhin großen Spaß. Die Pulverladung reduzierte ich schließlich  auf 20 grains Schweizer Jagdschwarzpulver Nr. 2 und füllte die Trommelkammern mit einer entsprechenden Menge Hartweizengrieß auf. Beim Vergleich mit anderen Revolvern empfand ich nach einiger Zeit das verhältnismäßig hohe Abzugsgewicht – 1700g –  verbunden mit einem leichten Kratzen und Kriechen des Abzugs als störend. Den Vorschlag, die Spannrast im Hahn in ihrer Tiefe durch Einkleben eines dünnen Blechstreifens zu vermindern, verwarf ich nach kurzer Überlegung, weil ich befürchtete, dass der Abzug beim Abziehen in die Laderast fallen könnte.  Um die Position des Abzugs bei gespanntem Hahn betrachten zu können, baute ich Abzug und Hahn aus und montierte sie auf eine Hartholzplatte, in die ich Löcher zur Aufnahme der Schrauben in gleichem Abstand wie im Revolver gebohrt hatte.  Brachte ich nun den Abzug in die Spannrast, konnte ich sofort erkennen, dass diese in einem ungünstigen Winkel eingearbeitet war. Um die Rast zu verlassen, musste der Abzug den Hahn ein wenig gegen die Kraft der Hauptfeder anheben.

Mein Büchsenmacher half mir auch hier wieder. Er veränderte den Winkel der Spannrast mit einem hochtourig laufenden Fräser, der eine sehr glatte Fläche hinterließ, wie unter einer Lupe festzustellen war. Gleichzeitig rundete er die zum Hahn gerichtete Kante der Abzugspitze und polierte die Fläche. Der Effekt dieser Maßnahmen war erstaunlich. Das Abzugsgewicht war nur um 200g geringer, aber der Abzug löste jetzt wunderbar trocken aus.

Um weitere 50g ließ sich das Abzugsgewicht durch eine Unterlegscheibe vermindern, die unter die zweiarmige Abzugsfeder geschoben und mit dieser verschraubt wurde.

Von nun an waren nur meine schwankenden Schießkünste Ursache von Ärgernissen.

In der Zwischenzeit  hatte ich mir einen Colt Model 1860 Army Cal. .44(„New Mod. Army 1960“) von der Fa. Centaure in Belgien zugelegt, der mir wegen seines wesentlich geringeren Gewichts und besonders wegen seiner Form und Qualität gefiel.  Er zeigte keinen der oben erwähnten Mängel. Die Funktion war und ist einwandfrei. Nach einer mehr als 35jährigen Gebrauchszeit, in der überschlägig

25 000 Schuss abgegeben wurden, je zwei Hahn- und Abzugsfedern erneuert werden mussten, ist der Verschleiß vernachlässigbar. Leider findet dieser Revolvertyp wegen des offenen Rahmens bei Sportschützen wenig Anklang. Centaure-Revolver werden leider schon lange nicht mehr hergestellt. Es werden jedoch immer wieder gut erhaltene und sogar neuwertige Exemplare aus dem Besitz von Sportschützen angeboten.

Dr. Manfred Kapps

Diskussion zum Beitrag

3 Antworten

  1. Lieber Dr. Kapps, sehr aufschlußreiche Ausführungen, danke.
    Die italienischen Colt-Repliken sind leider bekannt für zu kurze Trommelachsen. Nicht nur bei Perkussionsrevolvern, sondern auch bei den Conversions aus Gardone. Ich habe dieses Übel mit ähnlicher Methode während der letzten Jahre bei all‘ meinen Italienern behoben und erreiche endlich Konsistenz bei der Treffpunktlage. Habe allerdings Alu- und Messingscheibchen genommen.
    Der „Gasverlust“ nach hinten liegt nach meinen Messungen bei 5 bis 10 % in der V2 im Vergleich zum identischen Patronenrevolver Centaure-Thuer Conversion, alternativ mit Patronen- und als Perkussionsrevolver geschossen. Deshalb haben die Centauren auch so eine stramme Hauptfeder. Der nächste Therapieansatz kann der Wechsel der Pistons zu solchen mit kleineren Öffungen sein (Treso), wenn der Knackpunkt nicht wie bei Ihnen die zu frühe Entriegelung der Trommel ist. Da der Hammer durch die ausströmenden Gase bereits zurückgeht und die Trommelstellung beeinflußt, während sich die Kugel noch nicht im Lauf befindet (!), können auch irritierende Treffpunktlagen die Folge sein, wenn dieses Übel nicht abgestellt wird.
    Welche Seriennummer hat Ihr Centaure?
    Gruß Wolf D. Niederastroth

  2. Lieber Herr Niederastroth, von Ihnen einen Kommentar zu erhalten, freut mich ganz besonders. Habe ich doch gerade Ihren höchst interessanten Artikel über Centaure-Revolver in den letzten beiden dwj-Ausgaben gelesen. So weit mir bekannt, hat sich das DWJ zuletzt in den 1970er Jahren zu diesem Thema geäußert, einmal mit einem überschwänglichen Artikel von H.J. Stammel und dann mit einem sachlichen von E.Modrau. Sie waren also überfällig.Bedanke mich. Meinen Centaure habe ich 1975 im Tausch gegen ein Uberti-Fabrikat erworben, bei dem man nach jedem Gebrauch die Griffschrauben nachziehen mußte. Seine Seriennummer ist 13472, die Laufbeschriftung ist „1960 NEW MODEL ARMY“.Morgen hätte ich mit meinem Centaure wieder einmal bei den Deutschen Meisterschaften in Pforzheim antreten können, eine Familienangelegenheit am gleichen Tag ist jedoch wichtiger. Hoffe, bald wierder von Ihnen zu hören bzw. zu lesen.
    Freudlich Grüße
    Manfred Kapps

  3. Guten Morgen Herr Dr. Kapps, danke für Ihre freundlichen Worte und die Seriennummer Ihres Centaure. Möchte Ihre Waffe gern „anonym“ in die Centaure-Datensammlung aufnehmen.Lt. Seriennummer ist er von 1972. Vielleicht möchten Sie sich ein Datenblatt von der Centaure-Website http://www.1960nma.org laden und mir die kompletten Angaben zur Ihrer Centaure mailen oder faxen? Die beiden von Ihnen zitierten Centaure-Artikel im DWJ aus den 1970ern waren wichtige Anregungen für meine Recherchen, denn beide enthalten aus heutiger Sicht eine Menge Ungereimtheiten. Der zitierte Revolver von Stammel mit der Seriennummere 51971 wurde übrigens 2008 wiederentdeckt und konnte analysiert werden. Er „verbirgt“ interessante Geheimnisse, die Stammel nicht erwähnte, beschrieben auf der Seite SERIAL NUMBERS der Website. Aktuell arbeite ich für das DWJ an einem Artikel über Centaure-Conversions.
    Wolf D. Niederastroth

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